Aber soll ich Ihnen mal etwas sagen: Diesen Text schreibe ich auf einem Laptop, der wiederum auf einem Schreibtisch in meinem Büro liegt. Ganz old school. Und ich würde an dieser Stelle einmal mutig behaupten: Solange man etwas Schreiben muss, werden auch in vielen Jahren Menschen an einem Schreibtisch sitzen und arbeiten. Das Schreiben auf der Couch geht für mich nur in Ausnahmefällen.
Auch wenn die Büroarbeiter von morgen zwischendurch in der Gondel sitzen oder regelmäßig den Zengarten besuchen, irgendwann in ihrem Arbeitsalltag kehren sie an einen Schreibtisch zurück, zumindest temporär. Vielleicht werden sie aber auch an einem Schreibtisch stehen und arbeiten. Und damit bin ich nach diesen zugegebenermaßen etwas provokanten Einleitungssätzen genau dort, worauf ich hinauswollte. Der Schreibtisch hat sich über Jahrzehnte immer wieder verändert. Und mit ihm auch die Art, wie wir ihn nutzen und wie wir an und mit ihm arbeiten. Nicht nur das Design des Tisches hat sich verändert, sondern auch seine Funktionalität. Dank technischer Innovation wurde er an die Form des Arbeitens angepasst. Im Tierreich würde man sagen: Diese Anpassungsfähigkeit hat und wird ihm sein Überleben sichern.
Das Arbeiten hat sich in den vergangenen Jahren rasant verändert...
Feste Strukturen haben sich längst aufgelöst und werden sich weiter auflösen. Wir arbeiten auch remote von zuhause, im Zug oder im Garten. Wir verbringen mehr Zeit in Meetings als am Schreibtisch. Wir besprechen uns mit Kollegen gerne ‚zwischen Tür und Angel‘. Ja, die Frage ist vielleicht berechtigt: Braucht man überhaupt noch einen Schreibtisch oder ist ein Schreibtisch vielleicht mehr oder weniger überflüssig?
Meiner Ansicht nach, wird auch in Zukunft ein Schreibtisch in einem Büro seinen festen Platz haben. Das heißt aber nicht, dass sich nichts verändern wird. Ganz im Gegenteil. Sowohl das Büro als auch der Schreibtisch werden weitere Transformationen erfahren. So wie es in den vergangenen Jahrzehnten bereits geschehen ist.
Dabei ist es wichtig, zwei Entwicklungsstränge im Blick zu halten. Einmal die organisatorische Veränderung der Arbeit und zum anderen die technische Entwicklung, die wiederum die organisatorische Veränderung beeinflusst. Ganz nach dem Motto: ‚Das Werkzeug passt sich den Anforderungen und den technischen Möglichkeiten an.‘
Blick in die Geschichte
Werfen wir einen Blick in die Geschichte: Mit dem ersten Raum, in dem Menschen Schriftstücke bearbeiteten oder in dem sie Vorgänge verwalteten, schufen sie sich einen Ort, den ich heute durchaus als Büro bezeichnen würde. Die Möbel in diesen Räumen wurden immer wieder den Veränderungen in der Organisation und den technischen Möglichkeiten angepasst. Eine der wirklich großen und einschneidenden Veränderungen war sicherlich der Beginn der Digitalisierung.
Der Computer hat Einzug in die Büros gehalten. Nicht nur in Buchhaltung und Sekretariat, sondern auch in Planungs- und Konstruktionsabteilungen. Technische Zeichner wechselten vom großen Reißbrett zum CAD-Programm. Architekten, Konstrukteure und Bauzeichner tauschten Lineal, Bleistift und Zirkel gegen Computer, Maus und Tastatur. Sie waren es auch, die eine besondere Entwicklung im Büro in Gang setzten: den elektrisch höhenverstellbaren Schreibtisch. Das Reißbrett bot die Möglichkeit, im Sitzen und im Stehen zu arbeiten. Bauzeichner und Ingenieure saßen oder standen vor einem fast senkrecht stehenden Plan. Arbeiten im Stehen? Warum sollte das mit einem Computer nicht auch möglich sein.
Es wundert also nicht, dass die ersten höhenverstellbaren Arbeitstische, die der Konstrukteure waren. Anfang der 1990er Jahre gab es CAD-Schreibtische, die sich manuell in der Höhe verstellen ließen. Wenn man weiter zurückgeht, stößt man auf das Jahr 1910, als die deutsche Firma Reiss den ersten höhenverstellbaren Schreibtisch auf den Markt brachte. Natürlich war er ebenso wenig per Knopfdruck verstellbar wie die damaligen CAD-Arbeitstische.
In den 90er Jahren entwickelte LINAK die ersten Lösungen für eine elektrische Höhenverstellung von Tischen. Im Jahr 1998 führte LINAK mit der Hubsäule DL1 weltweit das erste System für einen elektrisch höhenverstellbaren Büroarbeitstisch ein.
Innovationen brauchen Nährboden
Man könnte vermuten, dass nach der Produktvorstellung der ersten höhenverstellbaren Schreibtische die Nachfrage weltweit durch die Decke schoss. Weit gefehlt. Lediglich in den skandinavischen Ländern setzte sich der Trend durch, abwechselnd im Stehen und Sitzen rückenschonend und gesundheitsfördernd zu arbeiten. Hier lag der Anteil an elektrisch höhenverstellbaren Arbeitsplätzen im Jahr 2005 schon bei über 90 Prozent.
In Deutschland und den anderen europäischen Ländern hat man sich noch sehr schwer damit getan, in einen höhenverstellbaren Schreibtisch zu investieren, um dem Mitarbeiter im Büro einen ergonomischen und damit gesunden Arbeitsplatz zu bieten. Es war viel Überzeugungskraft notwendig, um die Vorteile des Arbeitens im Wechsel in die Köpfe der Entscheider zu bringen. Erst langsam stieg die Akzeptanz und damit auch die Nachfrage. Mit steigender Nachfrage fiel auch der Preis, was ebenfalls dazu beigetragen hat, dass der Siegeszug des elektrisch höhenverstellbaren Arbeitsplatzes eingeläutet wurde. Laut der IBA Studie zur Entwicklung der Büroarbeit (2019/2020) arbeiteten im Jahr 2019 immerhin 28 Prozent aller Büroarbeitskräfte in Deutschland an einem Sitz-Steh-Arbeitsplatz. Die Veröffentlichung des IBA kann hier heruntergeladen werden.
Im Laufe der Jahre hat sich dann die Technik für den höhenverstellbaren Schreibtisch stetig weiterentwickelt. Zu Beginn war die Technik der Antriebssysteme auf einfaches Auf- und Abfahren reduziert. Schon früh hat LINAK die Steuerungen mit mehr Intelligenz ausgestattet. Damit konnten wichtige Themen wie absoluter Parallellauf, Kollisionsschutz oder Energieeinsparung optimal umgesetzt werden. Intelligente Systeme ermöglichen darüber hinaus weitere innovative Schritte. Wesentliche Punkte sind hier die Integration intelligenter Buchungssysteme und das Thema der Individualisierung.
Blick in die Zukunft
Noch mehr Flexibilität: Der Schreibtisch wird sich immer wieder verändern und mehr Funktionalitäten bekommen. Er wird sich den veränderten Arbeitsorganisationen anpassen. Ein Stichwort ist hier Flexibilität. Die vergangenen Monate der Pandemie haben diese Entwicklung beschleunigt. Benötigen wir für jeden Mitarbeiter einen eigenen Schreibtisch? Können wir nicht durch räumlich flexibles Arbeiten Büroräume optimieren, Platz und damit Ressourcen sparen? Werden Arbeitsplätze noch mehr als heute autark?
Eines ist klar: der höhenverstellbare Arbeitsplatz wird nichts Besonderes mehr sein, sondern ein Standard, auf den niemand mehr verzichten will. Auf jeden Fall werden mehr Menschen remote arbeiten und ihre Privaträume als Büro nutzen. Was machen aber die Menschen, die nur eine kleine Wohnung haben? Viele sitzen am Küchentisch, in einer Ecke im Wohnzimmer oder gar im Schlafzimmer. Eine Herausforderung für Büromöbelhersteller. Vielleicht müssen sie einen multifunktionalen Schreibtisch konstruieren, der auch als Esstisch genutzt werden kann oder der auf Knopfdruck in der Wand verschwindet. Ganz flexibel und clever.
'Der Schreibtisch wird sich immer wieder verändern und mehr Funktionalitäten bekommen. Er wird sich den veränderten Arbeitssituationen anpassen und digital vernetzt sein.'
Wir haben bereits in den vergangenen Jahren erlebt, dass die Digitalisierung die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem aufweicht. Abends mal schnell auf dem Smartphone die E-Mails bearbeiten ist für viele heute völlig normal. Dass jetzt das Homeoffice zum wesentlichen Bestandteil der Arbeitswelt wird ist ein weiterer wesentlicher Punkt in diese Richtung. Das heißt aber auch, dass Wohnung und Büro miteinander konkurrieren. Deswegen braucht das Zuhause mehr Praktikabilität zum Arbeiten und das Büro wird wohnlicher. Denn das Aufweichen der Grenzen passiert nicht nur in eine Richtung.
Büros werden sich in den nächsten Jahren noch stärker wandeln
Die Büros werden wohnlicher: In den nächsten Jahren erleben wir, dass Büros noch wohnlicher gestaltet werden. Sie stehen mehr und mehr im Wettbewerb zum Homeoffice. Das Büro muss eine optimale und gesunde Arbeitsumgebung bieten.
Darüber hinaus muss sich der Mitarbeiter im Büro zuhause fühlen. Möbel spielen hier eine wesentliche Rolle. Mit ihnen lässt sich eine Wohnkultur in einer Arbeitsumgebung umsetzen. Wir werden neue Materialien erleben, nachhaltig produziert und ohne Schadstoffe. Ich gehe davon aus, dass sich die Tischgrößen ebenfalls verändern werden. Die Nachfrage nach kleineren Tischen wird steigen. Das liegt nicht nur am begrenzten Raum im Homeoffice, sondern ist auch ein Resultat der veränderten Arbeitsorganisation. Die Büroarbeit verzichtet mehr und mehr auf Papier. Tische werden zu temporären Arbeitsstationen mit Dockingstation für Laptop und Smartphone.
Mehr Flexibilität statt alter Gewohnheit
Der Tisch wird intelligent: In den Büros von morgen werden nur noch wenige Mitarbeiter einen festen persönlichen Schreibtisch besitzen. Teams setzen sich je nach Projekt zusammen und Schreibtische werden flexibel genutzt.
Buchungssysteme für Tische und Arbeitsplätze gewinnen an Bedeutung und werden zur Normalität. Mehr noch: Künstliche Intelligenz wird Einzug in das Büro halten.
Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Christian R. arbeitet im Marketing und hat am Montag zwei Meetings mit der Verkaufsabteilung für den Industriebereich. Außerdem steht auf seinem Kalender die Bearbeitung von technischer Literatur. Er kommt in die Firma und das System weist ihm einen entsprechenden Arbeitsplatz zu, im direkten Umfeld mit den Kollegen vom technischen Support im Bereich Industrie. So kann er sich schnell mit den relevanten Kollegen austauschen, wenn es um die technischen Details in den Datenblättern geht. Er hat außerdem einen kurzen Weg zum jeweiligen Meeting-Raum. Der Tisch, den er vorfindet, kennt seine Gewohnheiten, stellt sich automatisch auf die optimale Sitz- und Steh-Höhe ein und erinnert ihn daran, regelmäßig im Stehen zu arbeiten. Und zwar so, wie Christian R. es in seinem Profil eingestellt hat. Und nach Feierabend wird der Tisch automatisch nach oben in den Reinigungsmodus gefahren, damit er besser und einfacher desinfiziert und gereinigt werden kann. All das setzt intelligente Technik in den Steuerungen der Tische voraus.
Diese Intelligenz könnte sogar noch viel weiter gehen. Quantified Self ist hier ein gutes Stichwort. Bereits heute werden speziell über Wearables und Smartphones viele Daten erhoben, Schritte und Kalorien gezählt. Dies wird mehr und mehr Einzug in den Arbeitsalltag halten. Der Arbeitgeber wird nicht nur darüber glänzen können, Obst und Getränke anzubieten oder Zuschüsse zu Fitnessstudios zu zahlen. Für Arbeitnehmer wird es normal sein sich quantifizierbar auch am Arbeitsplatz gesund zu verhalten, durch Bewegung, wechselndes Sitzen und Stehen und Challenges, wie z. B. den „gesündesten Mitarbeiter des Monats“. Die Daten dazu liefert unter anderem die Intelligenz in den höhenverstellbaren Tischen. Und am Ende könnten diese Daten, die Apps für höhenverstellbare Tische liefern können, auch dafür genutzt werden um Krankenversicherungstarife zu definieren. So könnten Nutzer von gesunden und ergonomischen Arbeitsplätzen davon profitieren, bei Ihrer Versicherung Geld zu sparen. Das wird natürlich ethische Debatten auslösen, wie mit Daten umgegangen wird, aber letztendlich werden diese auch zur Akzeptanz der neuen Technologien und Möglichkeiten sorgen.
Ideen entstehen bereits heute
Spannende Ideen hat auch der Wettbewerb 'Design meets movement' zu Tage gefördert, den LINAK gemeinsam mit der Universität Wuppertal im Jahr 2014 erstmals durchgeführt hat. Junge Studenten haben den Schreibtisch der Zukunft entwickelt. Entstanden sind erstaunliche Lösungen, die heute mehr denn je wegweisend sind. Diesen Wettbewerb hat LINAK 2020 neu aufgelegt. Und wieder sind die Ergebnisse beeindruckend. Sie wurden im Sommer 2021 einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt und ich bin überzeugt, dass sich ein paar dieser Ideen in einigen Jahren in den Produktportfolios der Büromöbelhersteller wiederfinden werden.
Der Studentenwettbewerb 'Design meets movement', den LINAK erstmals 2014 und 2020 erneut initiierte, förderte spannende Ideen für zukünftige Schreibtische zu Tage.
Der Schreibtisch wird auch in Zukunft in den Büros zu finden sein. Oder eben in den Räumen, in denen wir arbeiten. Also auch in privaten Homeoffice-Bereichen. Der Schreibtisch wird vielleicht nur anders aussehen, sich transformieren und sich mit weiteren Funktionalitäten in Bereiche integrieren lassen, er wird vernetzt sein und eine Schnittstelle zu unterschiedlichen Services bieten können. Kurzum: Der Schreibtisch ist noch lange nicht tot.
Um den vollständigen Artikel zu lesen - klicken Sie hier
Dieser Text entstand als Beitrag für die Buchreihe „OFFICE PIONEERS“, die im Prima Vier Nehring Verlag erscheint. Über 100 Autoren geben in dieser Buchreihe einen Ausblick auf die Zukunft des Büros.
Christoph Messing ist Geschäftsführer der LINAK GmbH. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit dem Thema Office.